Am zweiten Tag der Google I/O 2011 wurden in der Keynote einige Neuerungen in Googles Chrome Browser und in Chrome OS vorgestellt. Der Unterschied zwischen diesen beiden besteht darin, daß es sich bei Chrome OS um ein komplettes Betriebssystem handelt, in nur eine Applikation läuft: ein Chrome Browser. Um noch einen weiteren ähnlichen Namen hinzuzufügen gibt es auch noch Chromium, das ist das Open Source Projekt, in dem Chrome und Chrome OS entwickelt werden. Unter der Haube handelt es sich bei Chrom(ium) OS um eine Variante von Gentoo Linux.
Die Besonderheit bei Chrome OS ist, daß man es nur fertig installiert auf einem besonderen Notebook bekommt, was Google Chromebook nennt. Dies bedeutet praktisch, wenn man ein Chromebook startet wird man erst höflich um seinen Google Account gebeten und landet dann im Chrome Browser. Immer. Eine andere Applikation gibts nicht.
Google hat eine erste Generation von Chromebooks in Form des CR-48 in der Mitte letzten Jahres vorgestellt und hat nun die neue Generation von Chromebooks in Form von zwei Modellen von Acer und Samsung nachgelegt. Da eine Internetverbindung für die Nutzung von Chrome OS zentral ist, verfügen beider über WLAN und optional auch eine 3G Mobilfunkverbindung.
Interessant ist, wie Google die Chromebooks auf dem Markt positionieren möchte: zum einen sieht Google als mögliche Käufer Privatpersonen, die sowieso ihren Computer hauptsächlich zum browsen, mailen oder Facebook nutzen. Die andere Zielgruppe liegt im Bereich Bildung und der Industrie. Ihr Hauptargument für die zweite Zielgruppe ist, daß es zwar relativ billig sei, PC anzuschaffen, der Unterhalt und die Pflege der Software für eine größere Nutzerbasis mit sehr hohen laufenden Kosten verbunden sei. Daher bietet Google nun für 28 $ pro Nutzer und Monat für Industriekunden und für 20 $ pro Nutzer und Monat für Bildungskunden ein Paket aus einem Chromebook und ihrer Onlinedienste an. Darin enthalten sind Updates des Chrome OS, die vollautomatisch installiert werden und Hardwareupdates, wenn der Lebenzyklus eines Chromebooks beendet ist.
Die Vorteile liegen auf der Hand: während vorher eine IT-Abteilung in Firmen ständig damit beschäftigt war, Programme und Computer zu verwalten, wird dies nun in die vielzitierte Wolke verlagert. Dies bedeutet, sollte ein Computer verloren gehen, defekt sein oder gestohlen werden, so sind dort (fast) keine Daten abgelegt. Der Nutzer könnte sich in ein neues Chromebook mit seinem Account einloggen und hätte wieder Zugriff auf alle Daten und Applikationen der Firma. Für Spezialapplikationen bietet Google in Zusammenarbeit mit vmware eine Virtualisierungslösung an, so daß man auch entsprechende Windowsprogramme im Browserfenster benutzen kann.
Für Schulen wäre es nun auch nicht mehr der Physiklehrer, der nebenher noch den Computerraum unterhalten muss, sondern auch der kann sich auf Googles Dienste verlassen. Gerade in der Schule wäre eine gemeinsame Basis für den Dokumentenaustauch wünschenswert. Dies wäre dann auch ein Schritt in die Richtung der elektronischen Verteilung von Lehrmitteln, wie sie an den Hochschulen schon üblich ist.
Also alles eine schöne neue Welt ? Nun technologisch gesehen ist der Trend, daß große Teile der Arbeit im Browser gemacht werden realistisch und Google ist in diesem Sinne dort Vorreiter. Für die Unternehmen würde ein solches Angebot auch eine einfache Planbarkeit und klarere Kostenschätzungen im IT-Bereich ermöglichen. Vor diesem Hintergrund wird vieles einfacher. Aber einiges wird auch komplizierter: wo sind denn dann eigentlich meine Daten und wer kann auf die zugreifen? Das mag von Privatpersonen in kühner Unterschätzung nach dem Motto “Was hab ich schon für sensible Daten…” abgetan werden aber für Unternehmen ist dies die zentrale Frage. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Unternehmen beispielsweise seinen E‑Mailverkehr komplett über Google abwickelt, ohne eine Garantie, daß diese Nachrichten auch nicht auf dem Server gelesen werden können oder irgendwann mal offengelegt werden. Diese Frage, wo sind meine Daten und wer kommt an sie ran wird eines der zentralen Themen werden, die den Erfolg dieser browserbasierten Betriebsysteme im Firmenumfeld bestimmen.
Interessanterweise ist Apple mit ihrem ersten iPhone mit diesem Konzept 2007 bei seiner Vorstellung auf die Nase gefallen. Auch dort war die Idee, alle Erweiterbarkeit mittels Webapps zu erledigen. Es hat ein gutes Jahr gedauert, bis Apple mit der Veröffentlichung ihres SDKs die Platform teilweise geöffnet hat. Es wird spannend sein, wie sich nun fast die gleiche Idee, die diesmal aber durch den Internetprofi Google gefördert wird, durchsetzen wird.